ZUCKER / PROPAGANDA / PHARMA
Nach Erkenntnis einer neuen Studie hat die Zuckerindustrie, jene dank Sklavenwirtschaft dick gewordene Begründerin des Industriezeitalters, bereit in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA wissenschaftliche Studien erkauft, welche die Bedeutung von Zuckerkonsum als Grund für Herzerkrankungen fälschlich herunterspielten und stattdessen Fett und Cholesterin zu den Missetätern im Blutkreislauf erklärten. Dies hat tatsächlich dazu geführt, dass sich die staatlich getragene Vorsorgemedizin in westlichen Demokratien heute sehr stark mit Medikamenten um die Kontrolle von Cholesterinwerten bemüht, während die Diabetesbehandlung gewöhnlich in Richtung Insulin führt. Es entspricht dem typischen Muster in der industriellen Propaganda, so zu handeln: Gefälschte Forschungsergebnisse werden zum Politikum gemacht und führen dazu, dass Produkte der Industrie den Kranken aufgezwungen werden. Wir erinnern uns an den jüngsten PR-Stunt der österreichischen Zuckerindustrie, als sie gegen den Trend zum fast kalorienfreien südamerikanischen Süßkraut Stevia propagierte. Dass im Vorfeld über eine Zulassung als Lebensmittel in der EU für Steviablätter endlos gestritten worden war, obwohl in Südamerikas typischen Maté-Tee von jeher praktisch immer auch Steviablätter gegeben werden, um ihn zu süßen, muss man sich hier vor Augen halten: Eine EU-Zulassungsnummer („E-Nummer“) für den isolierten Süßstoff der Steviapflanze erscheint der Zucker-Industrie offenbar „abstoßend“, deshalb hat sie ja auch in Brüssel für dieses Bezeichnung lobbyiert. Verständlich, schließlich ist die Zuckerindustrie eine Interessensvertretung ihrer eigenen Interessen – dem Handel mit Zucker – und hat als solche das immanente Problem des Profitgedankens am Hals. Freilich würden alle Herz-Kreislauf- und Diabetes-Patienten davon profitieren, wenn sie Steviablätter in der Küche zur Anwendung brächten. Süßgetränke, alle Arten von Speisen, sogar Desserts sind möglich mit diesem Naturprodukt. Warum eine E-Nummer erzwingen, damit man dann dagegen öffentlich wettern kann? Ganz einfach: Stevia ist wie Unkraut und wächst überall, auch im Topf, und es ist mehrjährig. Deshalb darf es nicht als Nahrung oder Zusatz verkauft werden, sondern nur als Badeaufguss.